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Rezension:Der Fall Selpin: Die Chronik einer Denunziation (Gebundene Ausgabe)

Vor einigen Tagen habe ich mich auf dieser Plattform zum Tun von Denunzianten in Bezug auf Sophie Scholl geäußert. In diesem Zusammenhang las ich in der Folge Friedemann Beyers vorliegendes Buch "Der Fall Selpin"- Chronik einer Denunziation.

Zu Ende des Buches findet man folgende Gedanken, die ich für so wichtig erachte, dass ich sie an dieser Stelle zitieren möchte: "Die Neigung zur Denunziation findet sich überall dort, wo es im menschlichen Zusammenleben um Macht geht. Dabei verdrängen wir, wie dünn der Firnis unseres zivilisierten Verhaltens ist. Wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen."(....)"Wie gehen wir miteinander um? Wie tragfähig sind Beziehungen? Wem können wir (ver)trauen? Wie fair bleiben Menschen auch dann noch, wenn aus Zuneigung Hass wird? Diese Fragen stellen sich, in wechselnden Zusammenhängen und unabhängig von politischen Rahmenbedingungen, täglich neu." (Zitat S. 210)

Dieser Schlussbetrachung Friedemann Beyers, dem ehemaligen Filmjournalisten und Fernsehredakteur und geschäftsführenden Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung stimme ich hundertprozentig zu. Über seine gestellten Fragen sollte man lange nachdenken und in Gesprächsrunden nach Antworten suchen.

Das Buch thematisiert das Leben des erfolgreichen Regisseurs Herbert Selpin, der aufgrund der Denunziation durch seinen Freund ins Mahlwerk der Nazibürokratie geriet, weil er so genannte "wehrkraftzersetzende Äußerungen" gemacht hatte. Bis heute ist unklar, ob Selpin sich aus Verzweiflung in seiner Zelle selbst erhängte oder ob Nazischergen ihn auf diese Weise hinterhältig ermordet haben.

Der Autor möchte mit seinem Buch historische Wahrheitsfindung betreiben. Was ihm gelingt, ist eine sehr gute Darstellung der Funktionsweise der Filmwelt in der braunen Zeit und eine Verdeutlichung dessen, dass Menschen in allen Zeiten stets analog handeln, wenn es um ihre Abgründe geht.

Die Kontrahenten in diesem Denunziationsdrama beschreibt der Autor wie folgt:

Selpin war ein Teamspieler von athletischem Körperbau, körperlich und mental durchtrainiert, impulsiv, emotional, angriffslustig, reaktionsschnell, risikofreudig, konfliktfähig, omipräsent (vgl.: S. 202).

Der Denunziant Walter Zerlett-Offenius hingegen war ein Mann von fragiler Gestalt, der unter psychosomatischen Beschwerden litt. Er war rachitisch veranlagt und Neurastheniker, ein Asket mit labilem Charakter, prinzipientreu bis zum Starrsinn, ein Pedant mit narzisstischem Ego, der sich dandyhaft stilisierte und an den selbst gesetzten oder an ihn herangetragenen Erwartungen nicht gerecht wurde, (vgl.: S.202).

Wie konnten Menschen, die so unterschiedlich waren, zunächst Freunde werden? Wie reagieren solche Freunde im Konfliktfall? Werden aus schwachen Menschen vom Schlage Zerletts leichter Denunzianten, weil sie sich letztlich immer an den Stärkeren hinterhältig aus Neid rächen möchten? Das sind Fragen, die mich seit der Lektüre des Buches umtreiben. Wie behutsam müssen wir mit schwachen Menschen umgehen? Wie schnell sind sie verletzt? Sind ihnen alle hinterhältigen Mittel recht, wenn sie sich rächen wollen?

Empfehlenswert.

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