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Rezension: Rosa Luxemburg. Im Lebensrausch, trotz alledem: Eine Biographie (Taschenbuch)

Dieses Buch ist dieses Buch kein intellektueller Spaziergang. Stattdessen ist es eine außerordentlich komplex angelegte, exzellent geschriebene Biographie, die vom Leser allerdings hohe Aufmerksamkeit abfordert. Wenn man diese bereit ist aufzubringen, wird man hocherfreut sein von einer Biographin wie Dr. Annelie Laschitza auf hohen Niveau "unterhalten" zu werden. 1971 wurde die Autorin übrigens zur Professorin berufen und war Beraterin des Luxemburg-Films der Margarete von Trotta.

Die Biographie untergliedert sie in die Kapitel: Herkunft (1871- 1888), Aufbruch (1889-1897), Entscheidung (1898-1899), Herausforderung (1900- 1904), Entfaltung (1905-1909), Empörung (1910-1913), Verteidigung (1914), Auflehnung (1915-1918) und Erhebung (November 1918- Januar 1919). Der Anhang enthält Siglen, ein umfangreiches Literaturverzeichnis, Anmerkungen, den Bildnachweis und ein Personenregister.

Die deutsche Revolutionärin Rosa Luxemburg (1871-1919) wurde in der Nähe von Lublin geboren und entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannfamilie. Während ihres hervorragend absolvierten Studiums in Warschau nimmt sie Kontakte mit der "Sozialistischen Revolutionären Arbeiterpartei" auf. Bald werden ihre Aktivitäten der Polizei verdächtig. 1889 wählt sie das Exil. Sie geht nach Zürich, dem Treffpunkt der emigrierten russischen und polnischen Revolutionäre. An der Universität studiert sie Nationalökonomie und verteidigt 1898 eine These über "Die industrielle Entwicklung Polens".

Inzwischen hat sie ihre politischen Aktivitäten weiterentwickelt. Sie hat aufmerksam Marx studiert und gründet 1893 mit Leo Jogiches die "Sozialdemokratische Partei des polnischen Königreiches", die sich von der sozialistischen Partei Polens wegen deren zu nationalistischen Gesinnung trennt. Für diese ist sie ein "hysterisches Weibsbild". Im Jahre 1897 kommt sie, nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich, nach Deutschland. Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten geht sie mit Gustav Lübeck, dem Sohn eines Zürcher Professors, eine Scheinehe ein.

In Berlin nimmt sie entschlossen am politischen Kampf teil, verbündet sich mit den Führern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Kautsky und Mehring und wird bald zu einem Anführer des linken Parteilflügels. 1905 kehrt sie nach Polen zurück, um dort an der Vorbereitung zur Revolution teilzunehmen. Als der Aufstand niedergeschlagen wird, wird sie in Warschau inhaftiert und 1906 nach Deutschland ausgewiesen. Aus dieser Erfahrung schreibt sie ihr Buch "Massenstreik, Partei und Gewerkschaften", in dem sie sich bemüht, aus dem Scheitern des Aufstandes eine Lehre zu ziehen. An der Berliner Parteischule (der Sozialistischen Partei) lehrt sie Nationalökonomie und schreibt die beiden Werke "Die Akkumulation des Kapitals" (1912) und "Einführung in die Nationalökonomie".

Im Laufe des Sommers 1914 kämpft sie aus ganzer Kraft mit Karl Liebknecht und Franz Mehring gegen den Krieg. Als sich die Sozialisten um Kautsky mit der kaiserlichen Regierung durch ein Wahlabkommen aussöhnen, bricht sie endgültig mit dieses "Patrioten" und verschont Kautsky nicht mit Spott. In Gedanken an den aufständischen Sklavenführer des Alten Rom gründet sie zusammen mit Karl Liebknecht, Franz Mehring und Clara Zetkin den "Spartakusbund" .

Im Frühjahr 1915 bringt diese Gruppe die Zeitschrift "Die Internationale" heraus, in der die Haltung Kautskys heftig gebrandmarkt wird. Sie schreibt: "Die wirksame Garantie für den Frieden, das tatsächliche Bollwerk gegen den Krieg, steckt weder in frommen Wünschen, noch in utopischen Forderungen.... sondern ganz allein in dem festen Wunsch des Proletariats, seiner Klassenpolitik treu zu bleiben."

Nach einer Verurteilung im Frühjahr 1914 befindet sich Rosa Luxemburg erneut im Gefängnis. Sie schreibt die mit "Junius" unterzeichnete Schrift, in der sie "die Krise der Sozialdemokratie" untersucht. 1915 muss sie die ausgesetzte Gefängnisstrafe antreten. Als sie im Februar 1916 entlassen wird, nimmt sie ihre Aktivitäten mit Liebknecht an der Spitze des Spartakusbundes wieder auf und organisiert die große Mai-Demonstration 1916 auf dem Potsdamer Platz in Berlin.

Liebknecht wird festgenommen. Rosa Luxemburg verteilt jedoch die berühmten Spartakus-Flugblätter. Am 10. Juli 1916 wird sie unter polizeilichen Schutz genommen. Sie kommt vom Berliner Gefängnis an die Festung von Wronke nach Posen und schließlich ins Gefängnis Breslau, wo sie bis zum 9.11.1918 inhaftiert bleibt. Durch die Revolution befreit, schließt sie sich unverzüglich Liebknecht in Berlin an, um mit ihm in den Räumen des "Berliner Lokalanzeiger", dessen sie sich bemächtigt haben "Die rote Fahne" herauszugeben. Dort proklamiert sie "Die Diktatur des Proletariats ist Demokratie im sozialistischen Sinn."

In Berlin erreicht der revolutionäre und konterrevolutionäre Wirrwarr seinen Höhepunkt. Am 6.4.1918 misslingt der Militärputsch. Die Spartakisten sind stark und erhalten von dem neuen Polizeipräfekten Eichhorn Unterstützung. Das von ihnen geforderte revolutionäre Programm wirkt sich jedoch zugunsten ihrer gemäßigten Gegner aus.

Darin wird alle Macht für die Soldaten- und Arbeiterräte gefordert. Diese versammeln sich am 14.Dezember 1918, fügen den Spartakisten eine Niederlage zu und beschließen sich bis zu den regulären Wahlen zu vertagen, die für den 19.1.1919 vorgesehen sind. Das bedeutet den endgültigen Bruch mit den Sozialdemokraten. Am 30.12. wird auf einem Kongress der Spartakisten die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands beschlossen, die an den Wahlen nicht teilnimmt. Die Absetzung des Präfekten Eichhorn am 4. Januar durch die Regierung Ebert- Noske gibt das Signal für den Spartakusaufstand in Berlin.

Rosa Luxemburg hält ihn für verfrüht und versucht vergeblich ihre Freunde davon abzuhalten. Mit Liebknecht, Lebedour und Scholze wird am 5.1. ein revolutionäres Komitee gegründet, das Gebäude der sozialistischen Zeitung "Vorwärts" besetzt. Die von Noske formierten Truppen aus dem Berliner Bereich rücken ein. Schon am 10.1. ist der größte Teil der Hauptstadt wieder eingenommen. Am 11.1. sind die Büroräume des "Vorwärts" besetzt und die Spartakisten-Führer auf der Flucht. Liebknecht, Pieck und Rosa Luxemburg flüchten nach Wilmersdorf. Für jeden der drei wird ein Kopfgeld von 100 000 Mark ausgesetzt. Im Laufe des Abends des 15. Januar wird sie in Wilmersdorf gefangengenommen und zum Hotel Eden gebracht.

Liebknecht wird kurz darauf mit Kolbenhieben niedergeschlagen und erschossen. Einige Minuten später wird Rosa Luxemburg auf gleich Weise ermordet. Ihre Leiche wird im Landwehrkanal versenkt. Erst im Mai 1919 wird sie gefunden.
Wie Laschitza festhält, galten die letzten gedruckten Worte der deutschen Revolutionären der Revolution. "Ich war, ich bin, ich werde sein."

Eine faktenreiche Biographie, die ein schwieriges Zeitalter aber hauptsächlich das Leben und Wirken einer tapferen Frau in einer problematischen Männergesellschaft sehr differenziert auslotet.


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